„Es braucht auch eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Schmuck.“
Susanne Hammer im Interview über das Schmuckkolleg Herbststraße, das vom 5. bis 10. November 2019 sein zehnjähriges Bestehen feiert.
Im Rahmen einer Jubiläumswoche werden Ausstellungen und Events
abgehalten, die Einblick in das Schaffen von Lehrenden und
Absolvent*innen geben. Im Mittelpunkt steht die Ausstellung im MAK
Forum, in der die inspirierende Vielfalt des Schmuckschaffens in 40
Exponaten gezeigt wird. In einer Reihe von Aktionen wird das Metier auch
interaktiv und partizipativ erlebbar: zu erwarten sind ein
Schmuck-Speed-Dating, der Live 3D-Druck von Schmuckstücken und die
Präsentation des Buchs Mindscapes der ehemaligen Lehrenden Margit Hart,
das Einblick in ihr über 25-jähriges Schmuckschaffen gibt. Parallel dazu
laden Lehrende und Absolvent*innen in ihre Ateliers ein.
Bildergalerie teilnehmender Künstler*innen (14 Bilder)
Susanne Hammer, Kette schwarz lackiert, 2016
Im folgenden Interview spricht die Künstlerin Susanne Hammer über das Schmuckkolleg Herbststraße. Sie war von 2007 bis 2009 Gründungsmitglied und unterrichtet seither dort. Hammer studierte in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre an der Universität für Angewandte Kunst bei Carl Auböck Metall-Produkt-Design und arbeitet im Bereich Schmuckkunst.
War es 2009 schwierig, die Leitung der KunstModeDesign Herbststraße zu überzeugen, einen neuen Lehrgang für Schmuck einzurichten?
Von 2007 bis 2009 entwickelten wir, ein Team von Künstler*innen und Designer*innen ein Curriculum, das die Ausbildungslücke im Bereich des künstlerischen Schmucks und des Schmuckdesigns füllen sollte. Das Curriculum sollte auf die Erfordernisse des Standorts eingehen und zugleich die internationalen Entwicklungen berücksichtigen. Diese Herausforderung war nur durch die gute Zusammenarbeit aller zu meistern! Besonderer Dank gilt an dieser Stelle unserer damaligen Direktorin Alexandra Metz-Valny, die 2007 grünes Licht für das Schmuckkolleg-Projekt gab und unserer jetzigen Direktorin Gabriele Sulzgruber-Schartl, die durch ihre Unterstützung 2015 die Übernahme ins Regelschulwesen ermöglicht hat.
In einem ersten Interview 2009, haben Sie erwähnt, es mangle in der Öffentlichkeit an Interesse für künstlerischen Schmuck. Wie ist das heute?
In der Zwischenzeit hat sich eine kleine, aber feine Schmuck-Nachwuchsszene entwickelt, die nicht mehr nur aus lauter Einzelkämpfer*innen besteht, sondern untereinander vernetzt ist. Es ist eine neue Generation, welche die Wichtigkeit von Synergien - wie wir sie im Rahmen der Ausbildung auch fördern - begreift und in ihrer Arbeitspraxis umsetzt. Für mich hat das eine besondere Bedeutung, da es zu meiner Studienzeit in Österreich schon keine künstlerische Schmuckausbildung mehr gab. Das führte zu einer Vereinzelung und, wie ich finde, schlechten Startbedingungen.
Außerdem ist es schön, zu sehen, auf welch hohem Niveau Absolvent*innen arbeiten und wie sie sich in den verschiedenen Feldern des Schmuckdesigns Nischen erarbeiten. Einige von ihnen nahmen schon erfolgreich an internationalen Messen, Wettbewerben und Ausstellungen teil. Um eine Schmuckszene lebendig zu halten, braucht es neben einer hohen Ausbildungsqualität und frischen Ideen auch eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Schmuck. Nur so kann die Bedeutsamkeit von Schmuck sowohl als künstlerisches als auch als kulturelles Medium erkannt und entsprechend gefördert werden.
Austrianfashion.net widmete dem Schmuck in seinen Ausstellungen in Shanghai und Berlin ein eigenes Kapitel. Einzelne Schmuckkünstler*Innen wurden auch nach London eingeladen, um ihre Arbeiten im Somerset House zu präsentieren. Wie beurteilen Sie die Präsentation von Schmuck in einem breiteren Modekontext?
Zentral in den Arbeiten vieler Künstler*innen der Lehrendengeneration ist das Schmuckobjekt und die damit verbundene Aussage. Kunstwerkcharakter und Objekthaftigkeit sind Merkmale des sogenannten Autorenschmucks, daher sind diese Arbeiten auch fotografisch meist ohne Bezug zu Körper oder Kleidung inszeniert. Die Abgrenzung gegenüber der Mode, die eng mit der Geschichte des Autorenschmucks verknüpft ist, wird von der jüngeren Generation, also auch unseren Studierenden und Absolvent*innen, durchaus in Frage gestellt. In deren aktuellen Präsentationen soll der Schmuck im Kontext des Getragenwerdens seine Wirkung entfalten. Daher ist auch ein Zusammenspiel mit Mode relevant.
Aus Ihrer Perspektive: Was sind die Klassiker im Schmuckdesign und in welche Richtung gehen Zukunftstrends?
Gute Gestaltung ist trendunabhängig. Interessanter als sich mit schnelllebigen Trends zu befassen, finde ich die Auseinandersetzung mit schmuckspezifischen Phänomenen. Schmuck konstruiert, ähnlich wie Mode, Rollenzuschreibungen, Sichtbarmachung von Status und Schichtzugehörigkeit, sowie Abgrenzung und Zugehörigkeit. Eine verstärkte Reflexion dieser Funktionen und Bedeutungen wäre wünschenswert und spannend - sowohl seitens der Träger*innen als auch seitens der Produzent*innen.
Einen Trend sehe ich allerdings deutlich: Schmuck als Statussymbol funktioniert nicht mehr ganz so gut - und das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Das bietet eine Chance, Schmuck neu zu denken, macht es aber für Schmuckgestalter*innen schwieriger, weil sie nicht mehr auf Bewährtes zurückgreifen können. Aber statt sich am Mainstream zu orientieren, wäre es zielführender, sich auf die Entwicklung eigener aussagekräftiger Schmucklinien zu konzentrieren und damit Nischen zu erobern. Vielleicht liegt ja sogar in der Maßarbeit eine Zukunft, ähnlich wie das in anderen handwerklichen Berufen schon der Fall ist. Aber der Autorenschmuck wird sicherlich weiterhin als eigenständige und impulsgebende Gattung eine Rolle spielen. Und ich denke, dass uns auch in Zukunft sowohl handwerkliche, als auch technologische Zugänge beschäftigen werden.
Gibt es Zukunftspläne für den weiteren Ausbau des Schmuckkollegs?
Unsere Ausbildung ist breit angelegt: Neben den traditionellen handwerklichen Techniken möchten wir auch den Umgang mit neuen Technologien vermitteln. Tradition und Innovation sind vereinbar. Dennoch spielt das Handwerk am Schmuckkolleg Herbststraße eine große Rolle und das wird auch so bleiben. Der haptisch-sinnliche Zugang ist Grundlage für die Erschließung weiterführender Prozesse, ebenso wie Materialkenntnis und das Erlernen handwerklicher Techniken. Neben den handwerklich-künstlerischen Herangehensweisen spielen aber auch Serienanfertigungen und die damit verbundenen Anforderungen im Rahmen unserer Ausbildung eine wichtige Rolle. Generell ist es uns ein großes Anliegen, Horizonte zu erweitern. Dafür sind grenzüberschreitende Zugänge wichtig, die wir auch in Zukunft weiter vermitteln möchten.
Werden im Schmuckkolleg Herbststraße auch umweltfreundliche Methoden wie Recycling und Upcycling vermittelt?
Ja, wir versuchen thematisch darauf einzugehen. Upcycling ist ein wiederkehrendes Thema, sowohl im experimentell-gestalterischen Bereich, als auch in den Werkstätten. Hier ist uns neben einer inhaltlich-gestalterischen Auseinandersetzung der sorgsame Umgang mit Rohstoffen wichtig. Wir informieren die Studierenden über die Herkunft der Ausgangsmaterialien, den Gewinnungsprozess und die Alternativen aus fairer und umweltverträglicher Produktion. Der Recyclingprozess ist im gesamten Metallbereich schon sehr effizient. Die meisten Metalle können zu 98 Prozent wieder recycelt werden. Im Edelmetallbereich ist man hierbei noch genauer. Recyceltes Gold und Silber wird seit einigen Jahren ausgewiesen. Bei den Buntmetallen sind wir schon im Gespräch mit der entwicklungspolitischen Organisation Südwind, die sich aktiv für eine umweltschonendere Metallgewinnung einsetzt. Bei Edelsteinen gibt es in dieser Hinsicht leider noch Nachholbedarf: Das zeigt sich insbesondere im Diamant- und Smaragdabbau.
Welchen Zugang zur künstlerischen Arbeit haben die Studierenden des Schmuckkollegs Herbststraße? Gibt es eine Tendenz in Gruppen zusammenzuarbeiten oder werden doch eher Einzelpositionen bevorzugt?
Das ist kontextabhängig: Wir versuchen Gruppenprozesse im Rahmen der Designentwicklung zu fördern und dabei sind auch schon tolle Projekte entstanden, wie zum Beispiel eine Kooperation mit dem Modelabel LINIERT. Aber individuelle gestalterische Zugänge dominieren deutlich.
Spannende Kooperationen beobachte ich vor allem bei den Absolvent*innen. Diese teilen im Rahmen von Gemeinschaftsateliers und Zwischennutzungsprojekten nicht nur den Raum, sondern arbeiten auch inhaltlich zusammen. Zu nennen wäre beispielsweise Kollektivkraft, ein feministisch motivierter Zusammenschluss von jungen Schmuckkünstler*innen, oder auch 101kt, eine Ateliergemeinschaft von Absolvent*innen des Schmuckkollegs. Ein Beispiel für künstlerische Zusammenarbeit ist auch die Gemeinschaftsausstellung DEKADENT. Diese wird während unserer Jubiläumswoche im Rahmen der offenen Ateliers bei Elisabeth Habig und Konstanze Prechtl stattfinden.
Was ist für Sie ausschlaggebend für einen erfolgreichen kreativen Prozess - und was lässt ein Schmuckstück einzigartig erscheinen?
Es sind mehrere Faktoren, die das Gelingen eines Projekts ausmachen: Im Unterricht ist es wichtig, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Studierenden ermöglichen, überhaupt in Kreativprozesse einzusteigen. Mindestens ebenso wichtig ist dabei ein offenes Klima, das den verschiedensten Ideen Raum lässt. Weiters braucht es eine individuelle Betreuung, die im Rahmen unserer kleinen Werkstättengruppen sehr gut möglich ist. Ob eine Idee tragfähig ist und weiterentwickelt werden kann, ist Gegenstand diskursiver Prozesse. Manchmal kann die spontane erste Idee tragfähig und überzeugend sein. Oft müssen Ideen aber in einem langen Prozess erarbeitet werden. Die eigentliche Herausforderung aber beginnt mit dem konsequenten Durchdenken der Idee und natürlich der Umsetzung, die je nach Entwurf experimentell sein kann oder eben handwerklich exzellent ausgeführt sein muss. Es liegt am Zusammenspiel dieser Faktoren, ob ein Schmuckstück heraussticht oder eben nicht.
Können Sie uns noch einige Empfehlungen zum Thema Schmuckkunst in Bezug auf Literatur und Ausstellungsorte geben?
Der Verlag arnoldsche Art Publishers hat sich auf Handwerk und Kunst spezialisiert und bietet eine große Auswahl an Schmuckbüchern und Monographien. Internationale Internetforen wie Klimt02 und Art Jewelry Forum sind diskursiv angelegt und publizieren neben den Künstler*innen-Porträts, Ausstellungshinweisen und Open Calls, eine Vielzahl an Beiträgen und Buchbesprechungen zum Thema Schmuck. Auch die Danner Stiftung mit ihrer Sammlung ist absolut empfehlenswert.
Es gibt in Wien und anderen internationalen Großstädten Schmuckgalerien, die sich auf die künstlerische Interpretation von Schmuck spezialisiert haben. Diese sind leider nicht immer leicht zu finden – vor allem, wenn man mit Begriffen wie Autorenschmuck nicht vertraut ist. In Wien wären hier insbesondere die Galerie V&V und die Galerie Slavik zu nennen. In Pforzheim gibt es ein Museum, das ausschließlich dem Schmuck gewidmet ist und in Wien besitzt das MAK eine ansehnliche Schmucksammlung. Ebenso wichtig sind Messen, wie zum Beispiel die GRASSI in Leipzig, Joya in Barcelona oder Autor in Bukarest.
"10 Jahre Kolleg Kunst SchmuckDesign"
6. - 10. November 2019
MAK FORUM, Museum für angewandte Kunst Wien
Stubenring 5, 1010 Wien
Eröffnung, 5. November 2019, 18 Uhr
Mit Arbeiten von:
Iris Bächtold, Angelina Beyer, Sonja Bischur, Lucia Buhr , Ulrike Burgholzer, Güzin Deveci-Gröhs, Marion Dockal-Kurz, Anja Doppler, Elisabeth Drude, Nikolaus Egger, Elisabeth Eigenthaler, Maria Eisenbauer, Veresa Eybl, Lena Glieber, Tobias Gutlederer, Elisabeth Habig, Susanne Hammer, Lisa Harlander, Margit Hart, Martina Hierweck, Ulrike Johannsen, Caroline Klenner, Verena Krems, Reinhilde Lahner, Gerda Mödlhammer, Dorota Paruznik, Nadine Pramhas, Konstanze Prechtl, Hemma Pumhösl, Anna Riess, Valentina Rigger, Haldis Scheicher, Natalia Sharova, Lucia Torres-Venegas, Teodora Tsvetkova, Birgit Wiesinger, Birgit Wimmer, Marion Wind, Jiayi Zhang, Petra Zimmermann
Das Programm zur Jubiläumswoche mit allen Programmdetails
Kolleg Kunst SchmuckDesign an der KunstModeDesign Herbststrasse
Text: Stefanie Honeder