Fair, ökologisch und nachhaltig: Welche Gütesiegel sind beim Kauf von Kleidung zu beachten?
„Jeder Einkauf ist ein politischer Akt“ sagt Wolfgang Pfoser-Almer, CEO von Österreichs größter Nachhaltigkeitsmesse WeFair. Die Messe mit rund 170 Aussteller*innen versteht sich als Greenwashing-freie Zone, in der man mit gutem Gewissen einkaufen kann. Im Interview leitet uns der Experte mit praktischen Tipps durch den Zertifikats-Dschungel.
Green, Fair Fashion oder nachhaltig – Begriffe, die heutzutage als besonders positiv empfunden werden und unser Gewissen beim Kauf etwas erleichtern sollen. Manchmal ist dies aber nur schöner Schein, denn hinter Begriffen wie diesen stecken nicht zwangsläufig faire und nachhaltige Praktiken. Anders ist das bei offiziellen Zertifikaten und Siegeln, die in den letzten Jahren förmlich aus dem Boden schossen. Wo Bio draufsteht, muss auch Bio drinnen sein. Oder? Immer wieder tun sich Siegel auf, die bei näherer Betrachtung zu viele Schlupflöcher zulassen. Kürzlich veröffentlichte die Europäische Kommission einen Entwurf für neue Vorschriften, mit denen sogenanntes Greenwashing für Produkte wie Kleidung und Kosmetika unterbunden werden soll. Die Verordnung sieht vor, dass Marken ihre Umweltaussagen mit soliden und geprüften Informationen belegen müssen, andernfalls drohen hohe Geldstrafen. Aber auch hier meldeten Handelsgruppen und Umweltschützer*innen, die Kriterien würden nicht tief genug ansetzen. Wie also soll man sich im dichten Zertifikat-Dschungel als Konsument*in zurechtfinden?
„Leider sind 90% der Gütesiegel auch Schwachsinn“, meint Wolfgang Pfoser-Almer. Aber wie stellt man das nun sicher und wodurch genau definiert sich der Begriff „nachhaltig“?
Wolfang Pfoser-Almer: Die WeFair wird von den drei NGOs Klimabündnis, Südwind und GLOBAL2000 getragen, dadurch achten wir bei allen Ausstellenden auf die Hauptkriterien dieser Organisationen: Globale Gerechtigkeit bei Arbeitsbedingungen, Klimaschutz und Umweltschutz. Gemeinsam mit den NGOs haben wir genaue Prüfkriterien entwickelt, die Nachhaltigkeit für uns definieren. Wo wird produziert? Sind Siegel und Zertifizierungen vorhanden? Durch das ständig wachsende Angebot an neuen Technologien, Textilien usw., müssen wir diese Prüfkriterien natürlich regelmäßig überarbeiten und neu definieren.
Wie streng seid ihr dabei?
Alle Ausstellenden werden gleich nach ihrer Anmeldung von unseren Expert*innen der drei Organisationen streng nach unseren Kriterien überprüft. Bei bis zu 200 Ausstellenden können wir aber nicht jedes einzelne Produkt genau ansehen. Deshalb schauen wir auch direkt auf der Messe ganz genau hin. Es kommt vor, dass Ausstellende zwar den Kriterien entsprachen, dann aber auch konventionelle Ware mitnehmen – da müssen wir dann eingreifen. Um das zu vereinfachen, sind wir gerade dabei, ein Punktesystem einzuführen. Wenn jemand beispielsweise noch nicht ganz perfekt unseren Kriterien entspricht, könnte man noch an einer nachhaltigeren Verpackung arbeiten und erhält mehr Punkte. Das soll auch Anreiz geben.
Du erwähntest Siegel und Zertifikate. Für Menschen, die sich nicht regelmäßig damit befassen, ist dieses Thema recht schwierig und der Dschungel an Siegeln wird immer dichter …
Das stimmt. Es gibt eine Handvoll gute Siegel, denen wir vertrauen. Eines, das ich im Textilbereich immer empfehle ist der Global Organic Textile Standard (GOTS). Wenn Produkte zu mindestens 70% aus GOTS-zertifiziertem Stoff bestehen, darf man bei uns ausstellen. Es deckt sowohl soziale als auch ökologische Aspekte gut ab und ist weit verbreitet. Die Siegel des Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (iVN) sowie das Bluesign-Siegel bei Outdoorbekleidung sind ebenfalls zu empfehlen. Im Ernährungsbereich ist es das Bio-Siegel. Es sei denn, jemand kann uns mit Lieferscheinen wirklich beweisen, dass sie nach Bio-Standards arbeiten. Oft können sich kleinere Betriebe die Zertifizierung ja nicht leisten. Für den Lifestyle-Bereich ist uns das Österreichische Umweltzeichen wichtig.
Und wenn ein anderes Zertifikat auf dem Label steht, von dem man vielleicht noch nie gehört hat?
Es gibt die wunderbare Plattform Bewusst kaufen vom Umweltministerium, die dabei hilft. Dort gibt es einen Label-Kompass, durch den man unkompliziert und schnell erfährt, ob ein Gütesiegel gut ist oder Schwachsinn. Leider trifft auf 90% der Gütesiegel letzteres zu.
Bei diesem Thema geht es oft um Kompromisse. Manche Sektoren wie Sportbekleidung kommen leider nicht ohne den Einsatz von Kunststoffen aus, verwenden dann aber wenigstens recyceltes Polyester. Wie geht ihr mit Kompromissen um?
Das Thema beschäftigt uns ständig, vor allem bei Polyester. Da kommt es auf den Umgang damit an. Eine Jacke aus Recyclingpolyester zu kaufen, die man fast nie wäscht, hat schon mal weniger negative Auswirkung. Denn das Hauptproblem ist ja Mikroplastik, das in die Abwässer gelangt - das ist bei Recycling-Polyester nicht anders. Wenn es aber T-Shirts sind oder Socken, die man ständig wäscht, ist es ökologisch schon bedenklicher. Aber auch da gibt es Produkte wie den Guppyfriend: Ein Netz, in welches man die Kleidungsstücke beim Waschen steckt. Dadurch werden weniger Polyesterfasern abgebrochen und jene, die trotzdem freigesetzt werden, fängt das Netz auf.
Du sprichst es schon an: Fast jedes konventionelle Produkt hat bereits ein nachhaltigeres Pendant. Gibt es dennoch etwas, wo du dir noch eine bessere Alternative wünschen würdest?
Ein großes Thema ist Elektronik wie Geschirrspüler, Waschmaschinen etc. Das spielen Themen mit wie geplante Obsoleszenz sowie das Fehlen von aussagekräftigen Siegeln dafür, wo diese Teile produziert werden und unter welchen Bedingungen. Aber auch da kommt es aufs eigene Handeln an. Als ich mir beispielsweise eine neue Waschmaschine kaufte, bin ich zu einem Reparaturzentrum in meiner Nähe und habe gefragt: „Welche soll ich kaufen und welche könnt ihr mir für immer und ewig reparieren?“. Die habe ich gekauft und bringe sie ab jetzt zur Reparatur dorthin. Man sollte sich also gleich bei der Anschaffung überlegen, ob das Produkt auch repariert werden kann. Es gibt zwar den Reparaturbonus, den man nicht vergessen darf, es steckt aber noch viel mehr Potenzial dahinter. In der Herbstausgabe der Messe in Linz wird es deshalb einen großen Reparaturschwerpunkt geben.
Apropos Messe: Gibt es einen bestimmten Besucher*innentyp auf der WeFair?
Wir haben zwar keine validen Daten, beobachten aber natürlich genau. Und da kann man sagen, dass Besuchende zu etwa 60% weiblich sind und meist über 30 Jahre. Das hat den Grund, dass die meisten Produkte nicht billig sind. Es gibt natürlich T-Shirts um 15 Euro, aber die meisten Produkte bei uns sollen ja für die Ewigkeit halten und das ist eben meist eine Investition.
Und hat sich das in den vergangenen Jahren verändert?
Als Fridays for Future groß wurde im Jahr 2019, merkten wir schon, dass auch unser Publikum sich verjüngte. Unser Angebot soll dennoch für alle Altersgruppen interessant sein und darauf achten wir sehr.
Gerade beim Thema Nachhaltigkeit ist das Publikum der WeFair wahrscheinlich sehr aufgeklärt. Bekommt ihr auch mal konstruktive Kritik?
Ja, aber auch vom Team selbst. Wir alle arbeiten aus vollster Überzeugung und achten auf jede Kleinigkeit. Es ist wahnsinnig wichtig, dass auch Mitarbeitende aufzeigen, was man das nächste Mal besser machen könnte. Auch vom Publikum und den Ausstellenden gibt’s regelmäßig Feedback. Man empfiehlt sich sogar gegenseitig. Der Konkurrenzgedanke ist hier nicht so im Vordergrund – man kämpft ja letzten Endes um dieselbe Sache. Es ist ein Miteinander und kein Gegeneinander.
Das klingt nach einer schönen Abwechslung, vor allem in der Modewelt.
Wenn man sieht, wie viel manche Menschen machen, um Dinge zu verbessern – das ist wahnsinnig inspirierend und motivierend. Denn: jeder Einkauf ist ein politischer Akt. Jedes Mal, wenn man sich beispielsweise für ein GOTS-zertifiziertes Produkt entscheidet, hat das Auswirkung, die Konsument*innen gar nicht sehen. Wenn Leute mehr Biobaumwolle kaufen, wird auch mehr Biobaumwolle produziert. Es braucht Politik und Wirtschaft, um die Weichen zu stellen. Aber auch als Einzelperson, kann man viel tun.
Kommen Ausstellende denn auf euch zu oder ist das auch mal umgekehrt?
Wir sprechen auch Leute an, die wir interessant finden. Allein jetzt, wo wir in Wien sind, kommen wir oft an kleinen Shops vorbei, die super zu uns passen würden. Da geht man schon mal rein und spricht die Besitzer*innen direkt an.
Die WeFair ist ja allen voran eine Messe, bei der es natürlich auch um Konsum geht. Möchtest du uns zu diesem Thema noch etwas mitgeben?
Mir ist besonders wichtig zu sagen: Das nachhaltigste Produkt ist immer das, was du schon zu Hause hast. Bei uns geht es zwar ums Verkaufen, man darf aber nie vergessen, dass wirklich jedes Produkt einen ökologischen Fußabdruck hat, auch wenn es noch so nachhaltig ist. Deshalb muss man die Dinge, die man kauft, gut behandeln und pflegen. Dann hat man möglichst lange etwas davon. Und wenn man etwas Neues kaufen muss, dann soll man es bitte bei uns tun. (lacht)
WeFair Wien 2023
Die Messe für ein nachhaltiges Miteinander
14. bis 16. April 2023, Marx Halle Wien
Ursprünglich als reine Modemesse konzipiert, wird die WeFair heute vom gemeinnützigen Verein „WeFair - Verein zur Förderung eines fairen und ökologischen Lebensstils“ organisiert. Der Verein und die Messe werden von den drei NGOs Klimabündnis, Südwind und GLOBAL2000 getragen. Seit ihrer Gründung 2008 findet die Messe samt umfangreichem Rahmenprogramm nun zweimal jährlich am Hauptstandort Linz im Herbst sowie im Frühjahr in der Großen Marx Halle in Wien statt.
www.wefair.at
Buchtipp:
Einen Wegweiser durch den Labeldschungel bietet unter anderem auch die Broschüre des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
Schickes Outfit! Neu?
Ja, aber ökologisch!
(Wien, 2022, 104 Seiten)
Gegen Ersatz von Versandkosten zu bestellen bei DIE UMWELTBERATUNG oder als Download auf www.umweltberatung.at und auf www.bmk.gv.at
Das Interview führte Jenni Koutni (27.03.2023)
Titelbild - Collage
Foto: Wescley Aquino / Pexels
Icons: Darrin Higgins, Marta Ambrosetti / Noun Project