Textiles Zentrum Haslach
Mit nunmehr fünf Partnern unter einem Dach ist das Textile Zentrum Haslach Schritt für Schritt zu einem Kompetenzzentrum für alles Textile herangereift. Jetzt wurde die „Seele“ dieses fünfteiligen Netzwerkes zur Förderung der Textilkultur der Region mit dem Österreichischen Museumspreis ausgezeichnet. Wie man der Presseaussendung des Bundeskanzleramtes entnehmen kann, wurde der mit 20.000 Euro dotierte Hauptpreis dem Webereimuseum „für das in seiner umfassend verzahnten Art einzigartig und höchst ambitionierte Gesamtkonzept“ verliehen.
Das Webereimuseum ist nur ein Rädchen in einem authentischen Gesamtgefüge mit dem Bestreben das Interesse an der Webkunst und das Wissen und Know-how um die Textilproduktion an kommende Generationen weiterzugeben. Mit Leben erfüllt es der 1991 gegründete Verein „Textile Kultur Haslach“, die Manufaktur Haslach, ein Shuttle Lehrgang und die Weberei. Zusammen ergibt das ein dichtes, buntes Knäul, das textilem Gestalten großzügig und zukunftsorientiert Raum bietet.
Haslach, im Dreiländereck Österreich-Deutschland-Tschechien gelegen ist seit jeher als Zentrum der Mühlviertler Leinenweberei bekannt. Über Jahrhunderte prägte das textile Schaffen das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben der Menschen und trug maßgeblich zur Identität des Ortes bei. Als nach vielen Höhen und Tiefen die ehemals renommierte Textilfabrik Vonwiller 1999 schließen musste, kaufte die Gemeinde den Komplex und wandelte ihn mit EU- und Landesgeldern sukzessive in ein textiles Kultur- und Dienstleistungszentrum um. 2006 konnte ein zweites, in unmittelbarer Nachbarschaft liegendes Fabrikgebäude, die ehemalige Buntweberei Obermüller, dazugekauft und baulich an das Vonwiller-Gebäude angegliedert werden.
Neben der gewachsenen Tradition als Leinenwebermarkt hat sich Haslach in den letzten 20 Jahren auch auf einer anderen Ebene einen Namen als Textilort gemacht, der auf die Aktivitäten des Vereins „Textile Kultur Haslach“ zurückzuführen ist. Der Verein bespielt das seit 2012 von einheimischen Architekten neu gestaltete Textile Zentrum Haslach mit Workshops, Experimentierwerkstätten und Sonderausstellungen mit dem Ziel eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne, Kunst und Technik, Handwerk und Industrie, Forschung und Lehre, Experiment und Praxis herzustellen. Das jährlich stattfindende Sommersymposion wird von einem Kursprogramm begleitet, das auch interessierten Laien Einstieg in unterschiedlichste textile Techniken und Verfahren bietet. Dazu gesellt sich ein weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannter Webermarkt, der Textilschaffenden aus ganz Europa ein Forum bietet.
Das 1971 gegründete Webereimuseum übersiedelte 2012 ins Textile Zentrum Haslach und zeigt hier die Verarbeitungsschritte von der Flachsaufbereitung bis zur fertigen Leinwand sowie die Entwicklung der Handwebstühle bis hin zur Jacquardmaschine. Textile Materialen und Techniken können hier im wahrsten Sinne des Wortes begriffen und mit allen Sinnen erlebt werden. Die Geräte und Maschinen des Museums werden im Rahmen einer Führung vorgeführt.
Die „Schatzkammer“ bietet nicht nur einen virtuellen Einblick in kostbare Musterbücher Mühlviertler Textilbetriebe, sondern man erfährt auch, was man beim Entwerfen eines Musters alles beachten muss und welche Bedeutung diverse Verzierungen auf alten Textilien haben.
Im Verbindungsgang, der die beiden Fabrikgebäude der ehemaligen Weberei Vonwiller und Obermüller überbrückt, wird das Medium Textil in Anwendung mit anderen Disziplinen (z.B. Architektur, Medizin, Flugzeugbau oder Sicherheitswesen) veranschaulicht.
In einem Nebentrakt des Fabrikareals befindet sich das Archiv. Es beherbergt eine umfangreiche Sammlung an alten Musterbüchern (v.a. der ehemaligen Firma Vonwiller), eine Handarbeits- und Trachtensammlung, sowie historische Lehrunterlagen rund um den Fachbereich Weben.
Die sozialökonomische Manufaktur Haslach hat sich der Verarbeitung regionaler Wollen, von Mühlviertler Merino-Schafen und anderen mitteleuropäischen Schafrassen zu Garnen, Stoffen und hochwertigen Filzen verschrieben. Die Manufaktur ist Teil des Trägervereins ALOM – Arbeit und Lernen Oberes Mühlviertel, der Menschen aus der Region bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt unterstützt. Hergestellt werden herrliche Merinodecken, flauschige Melédecken, Mühlviertler Filzkissen und Streichgarnstoffe, handgewebte Teppiche, Filztaschen- und Pantoffel. Im Rahmen von Betriebsführungen werden Einblicke in die Fertigungsprozesse von der Rohwolle bis zum fertigen Produkt geboten.
In der Weberei im Textilen Zentrum Haslach werden kleinserielle Entwicklungen hochwertiger Gewebe und textiler Konzepte umgesetzt, sowie eine eigene Produktlinie für den hauseigenen, gut sortierten Shop gewebt. Andererseits wird die Infrastruktur auch für die Umsetzung externer Projekte und Kooperationen zur Verfügung gestellt.
In Kooperation mit der Kunstuniversität Linz wurde ein einjähriger SHUTTLE Lehrgang für innovative Webkultur eingerichtet. Dieser Universitätslehrgang im Fachbereich Weben ist berufsbegleitend auf Modulbasis zu absolvieren und richtet sich an Personen mit Erstausbildung im Textilbereich, die ihre Kenntnisse erweitern, Zusatzqualifikationen erwerben und neue Kontakte knüpfen möchten. Ziel des Lehrgangs ist es, so Christina Leitner, treibende Kraft nicht nur des SHUTTLE Lehrgangs, die Schnittstelle zwischen maschineller Fertigung, Gestaltung, Wissenschaft und Forschung zu stärken und voneinander getrennte Ausbildungsbereiche näher aneinander zu führen. Dieser im Zweijahrestakt im Laufe eines Studienjahres (Oktober bis Juli) in 5 Modulen à 5 Tage abgehaltene Lehrgang stellt eine neue Form der Textilausbildung dar und schließt mit dem Titel „akademisch geprüfte/r Textilfachfrau/mann“ ab. Eine gemeinsame Sprache, vom Entwurf bis zur technischen Umsetzung, verdichtet den komplexen Designprozess und sorgt für mehr Verständnis auf allen Seiten, der Technischen, der Wirtschaftlichen und der Künstlerischen. So gesehen ist der SHUTTLE Lehrgang auch eine perfekte Ergänzung und Vertiefung sowohl für das Bachelorstudium als auch für das Diplomstudium an Universitäten, die sich mit textilem Gestalten auseinandersetzen.
Zudem bieten Vorkurse ein Basiswissen in Bindungslehre, Materialkunde, Maschinenkunde und Gestaltungslehre. Die Vorkurse können einzeln gebucht werden und stehen auch Personen offen, die nicht am gesamten Lehrgang interessiert sind.
Das Textile Zentrum Haslach ist zu einer Institution für das Weben geworden. Es ist nicht nur ein Erlebnispark rund um die große Webtradition des Mühlviertels im guten Wortsinn. Hier wird Textilgeschichte aufbereitet und an den Möglichkeiten des Webens für die Zukunft gearbeitet. In Haslach werden historische Fäden aufgenommen, weitergesponnen und verwoben.
Am 3. Dezember wird dem Webereimuseum der wohl verdiente Hauptpreis des Österreichischen Museumspreises 2014 feierlich verliehen, und gleichzeitig die Sonderschau: „Die Welt in kleinen Bildern – gewebte Miniaturen und Etiketten aus der Sammlung Josef Jüngling“ eröffnet.
Sie zeigt feine, aufwändig hergestellte Jacquardgewebe, die verschiedenste Motive beinhalten: Portraits von Marilyn Monroe bis Leonardo da Vinci, verschiedenste Handwerkszenen, Tiermotive, Wappen und vieles mehr – fein wie Zeichnungen, aus Tausenden Seidenfäden gewebt. "Die Welt in kleinen Bildern" ist die erste Ausstellung in der Reihe "Blick ins Archiv", bei der jährlich spezielle Teile aus den Beständen des Textilen Archivs Haslach für das Publikum zugänglich gemacht werden sollen.
Text: Ursula Graf, Kunsthistorikerin und freie Journalistin
Alle Bilder beigestellt
(Archiv 2014)
Textiles Zentrum Haslach