The Art of Fashion
“Ist Mode Kunst?” fragt FIT Direktorin Dr. Valerie Steele
Der Mode wird so Einiges nachgesagt: sie sei eitel, elitär und oberflächlich. Aber ist sie auch Kunst? Beweise eines äußerst schöpferischen Zusammenspiels von Künstlern und Designern finden sich über das letzte Jahrhundert hinaus verstreut: man denke an Gustav Klimt und Emilie Flöge, die Mode als einen Katalysator der Moderne zu nutzen verstanden oder das legendäre Hummerkleid entworfen von Elsa Schiaparelli und Dali. Für Chanel, wie auch Warhol galt die Mode als Mittel geschickter Selbstinszenierung. Der Künstlerin Cindy Sherman verhalf sie (von der Hausfrau bis zum Clown) zu unzähligen Identitäten. Unter dem Titel "Reflecting Fashion" fasst das Mumok im Rahmen des Wiener Summer of Fashion nun in einer Ausstellung Kunst und Mode seit der Moderne zusammen. Zur Eröffnung diskutiert die Chefkuratorin des renommierten New Yorker Museum at Fashion Institute of Technolgoy (FIT), Dr. Valerie Steele, die Frage ‘Is Fashion Art’? Steele weiß, wovon sie spricht. Seit ihrem Amtsantritt im FIT vor fast zehn Jahren hat die von der New York Times anerkennend als ‘High Heeled Historian’ umschriebene Direktorin mit einem Abschluss an der Yale Universität mehr als 20 Schauen kuratiert. AUSTRIANFASHION.NET traf sich mit ihr vorab zum Gespräch in New York.
Mode im Kunstkontext zu zeigen, sehen Sie das als Trend?
Nun, ich glaube, dazu muss man einmal vorwegnehmen, dass Mode offensichtlich nicht im Kunstkontext produziert wird. Sieht man aber zum Beispiel ein Kleid von Balenciaga im Rahmen einer Ausstellung im Museum, so meine ich, vermittelt es durchaus ein gewisses Ausmaß an Kunst. Modeausstellungen sind aber kein neues Phänomen. So war es noch bis in die 1970er Jahre üblich, vor allem antike Kleidung aus dem 17. oder 18. Jahrhundert zu präsentieren. Ein Wendepunkt kam mit Diana Vreeland, als sie die Betreuung des Costume Institute im MET übernahm. Sie zählt zu einer der Vorreiterinnen, die damit began, Mode theatralisch zu inszenieren und zu zeigen. Parallel dazu gab es in England in den frühen 1970ern die berühmte Cecil Beaton Ausstellung. Und auch das FIT fing damals an, Modeausstellungen wie zum Beispiel von Givenchy zu kuratieren. Ein weiterer Wendepunkt kam nach dem Tod von Versace, als ihm das MET und das V&A posthum große Ausstellungen widmeten. Das Ganze bewirkte eine Art Schneeballeffekt - besonders im Hinblick auf die Superstar Retrospektiven, jene über Alexander McQueen ist zweifellos ein Paradebeispiel.
Wie sehen das die Besucher?
Ich würde sagen, die Meisten empfinden Modeausstellungen als nichts Ungewöhnliches mehr. Die einzige ‘negative’ Komponete liegt oft nur in ihrer Auffassung der gezeigten Objekte und der damit verbundenen Frage ob sie das eine oder andere Keidungsstück auch tragen würden. Es gab 1987 im FIT eine interessante Ausstellung, ‘Mode und Surrealismus’, die meiner Meinung nach deshalb ausschlaggebend war, weil sie den Begriff Mode einmal kunstthematisch erschloss: So zum Beispiel die Verwendung des Korsett, und wie es von Designern eingesetzt wird. Generell stellt das Museum ein alternatives, weniger kommerzielles Vehikel dar, um Mode zu erfahren.
Wie sehr beeinflussen die Medien die allgegenwärtige Verbreitung von Mode?
Das Internet hat mit Sicherheit dazu beigetragen, Mode an sich viel präsenter zu machen. Man kann mitterlweile viele Modeschauen live streamen. Ich glaube, ein großer Teil des regen Interesses rührt daher, weil Mode als eine Art visuelles Spektakel gehandelt wird. Bislang hat sich die Presse den meisten Modeausstellungen gegenüber jedoch weniger positiv geäussert und sie als zu kommerziell orientiert kritisiert. Die YSL Ausstellung im MET zum Beispiel wurde so abgetan, als ob eine Autofirma einen Raum mietet, um das neueste Modell zu lancieren. Das ist mitunter ein Problem wenn es sich um noch lebende Designer handelt, denn durch eine Museumschau erhöht sich der Wert der Marke an sich. Brands und Designer, die natürlich sehr bedacht darauf sind, wie man sie präsentiert, wollen deshalb die Kontrolle so gut als geht bei sich behalten.
Für lange Zeit war Mode mit dem Vorurteil behaftet, nicht intelligent zu sein? Hat sich das geändert?
Ich habe mich zu diesem Punkt vor einiger Zeit in einigen Artikeln geäussert. Zum Einen, wie Mode vom intellektuellen Standpunkt aus betrachtet wird (The F-Word), denn die Mode galt als unbedeutend, konformistisch und als nicht weiblich genug. Und ich habe weiters versucht, dafür eine Erklärung zu finden, warum Leute Mode hassen. Das hängt mitunter mit verschiedenen Vorurteilen zusammen, die sich über Jahrhunderte hinweg manifestiert haben: von biblischen, puritanischen Sichtweisen, die besagen, das Mode eitel, körperbezogen und vulgär ist und eine Form von verschwenderischer Lebenshaltung darstellt. Es erzeugte Missmut, denn es bietet die Möglichkeit die Selbstachtung anderer zu kritisieren. Diese Dinge haben sich im Laufe der Zeit in verschiedenen Ländern mehr oder weniger tief in der Kultur verankert.
Ein Beispiel?
Vor allem beobachte ich das in den protestantischen Ländern, wo die Auffassung galt, Kleidung sei der Spiegel der Seele und man sollte nie besser aussehen und sich reicher darstellen als man ist. Ganz im Gegenteil zu Italien, wo Kleidung dafür steht, ein positives und stattliches äusserliches Bild von sich zu schaffen. In China zum Beispiel war Mode lange Zeit kein Thema, denn dort versuchte man, jegliche Form von Individualität zu unterdrücken - schon alleine deshalb, um nicht als Klassenfeind aufzufallen.
Entstehen dadurch aber nicht auch jene unbeschriebenen Regeln der Dresscodes in verschiedenen Kreisen?
In jeder Gruppe, der Kunst eingeschlossen, gibt es Kleiderordnungen wenn man so will. Ich meine sogar, in Wirklichkeit sehen sich die Leute ihren Stil weniger von Modemagazinen ab sondern werden von Freunden und Bekannten innerhalb ihres Kreises beeinflusst. Außer, sie arbeiten unmittelbar mit den Modemedien. Selbst dort orientiert man sich nach dem Geschmack der Redakteure.
Zu diesem Thema habe ich für einen New Yorker Fernsehkanal einmal ein interessantes Videoprojekt gestaltet und bin im gleichen Outfit, einem grünen Mantel und grünen Hosen, das gesamt eher bourgeois wirkte, durch verschiedene Stadteile marschiert: von der Upper East Side bist zur Lower East Side. Es war eine spannende Beobachtung, wie man wo auffällt oder auch nicht.
Was bedeutet Mode für Sie? Wie sind Sie zur Mode gekommen?
Während meines Kulturgeschichte Studiums an der Yale Universität hatte ich plötzlich die Eingebung, dass Mode Teil unserer Kultur ist und ich gerne im Bereich Modegeschichte arbeiten wollte. Dieser existierte damals als solcher noch nicht. Ich verstehe Mode durchaus als System, als eine Verkörperung unserer Identität, ob man es durch Tätowierung, Kleidung oder Haartracht ausdrückt. Auch Anti-Mode ist Mode. Man kann der Mode in dieser Hinsicht einfach nicht entkommen.
Ist Mode Ihrer Meinung nach Kunst?
Das verrate ich in einigen Tagen in Wien.
Text: Sandra Pfeifer (New York/Wien) ist freie Journalistin bei designjournalists und schreibt unter anderem für domus, Standard, Baumeister und mb!
(Archiv 2012)
Ausstellung Mumok Wien:
"Reflecting Fashion - Kunst und Mode seit der Moderne"
15 June - 23 September, 2012
Keynote Speech ‘Is Fashion Art’ Mumok Kino, 15. Juni, 19 Uhr
Katalog: Reflecting Fashion - Kunst und Mode seit der Moderne