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© Elfie Semotan, Blind Folds

In Progress - Elfie Semotan

Als eine der ersten weiblichen Fotografinnen hat sich die Österreicherin Elfie Semotan bereits in den 1970er Jahren international im Modebusiness etablieren können. Die Universität für Angewandte Kunst zeigte eine Werkschau im Ausstellungszentrum Heilgenkreuzer Hof (2012). AUSTRIANFASHION.NET hat Elfie Semotan vor Ort zum Gespräch gebeten.

Elfie Semotan führte durch die Räume des Heiligenkreuzer Hofes, dessen Gebäude aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert die ältesten Zinshäuser Wiens sind. Persönlich hat sie eine Auswahl an Arbeiten aus den Bereichen Mode und Architektur getroffen. "Die Ausstellung beschäftigt sich visuell sehr mit den Räumen", erklärt sie ihren Umgang mit der historischen Bausubstanz des Stiftes, "Ich hab schon einige Ausstellungen hier gesehen, und fand es immer schwierig, den Räumlichkeiten gerecht zu werden, weil sie so einen starken Charakter haben." In den größten Raum greift sie ganz bewusst nicht mit Stellwänden ein, sondern bespielt die Fläche mit Objekten, die in ihrer Abstraktheit an Schneiderbüsten erinnern. Behängt sind sie mit unzähligen Polaroids, die je nach Lichteinfall und Motiv in zarten Pastells oder leuchtend bunt schimmern und in ihrer Gesamtheit an Kleider erinnern. "Mir gefällt die Idee: Ich hatte ja viel Mode fotografiert und jetzt mache ich mit den Nebenprodukten dieser Prozesse wieder Kleider, nur in einer anderen Form," erklärt sie.

Die Ausstellungsfläche erstreckt sich über sechs Räume und so zeigt Elfie Semotan keine einzelne, durchgängige Arbeit, sondern ein Portfolio, das sich der Beliebigkeit des zeitgeistigen Bilderüberflusses entschieden entgegenstellt. Sie ist eine der wenigen, die noch den professionellen Umgang mit der analogen Fotografie beherrschen. Mittlerweile weiß sie auch die analoge Technik zu schätzen, obwohl sie anfangs der Übergang von "ihrer" Art zu fotografieren zur digitalen Fotografie am meisten gestört habe. "Wenn man analog fotografiert, ist man nie sicher. Man ist immer verzweifelt, man fragt sich ständig 'Hab ichs jetzt wirklich?' und geht dadurch im Prozess der Bildfindung immer noch einen Schritt weiter. Während man bei einem digitalen Gerät geneigt ist, das Ergebnis sofort zu kontrollieren und sich schneller zufrieden zu geben." Eine Haltung, die sich auch in ihren Arbeiten spiegelt, denn ihr Interesse gilt weniger dem perfekten Bild als vielmehr dem Prozess seiner Entstehung, der Aussage und der visuellen Gestaltung. "Ich hab mir für meine Modefotografie immer etwas gesucht, das mir erlaubt, mich von der einfachen Darstellung des Kleides zu entfernen", so Semotan. Das eröffnet Raum für überraschende Perspektiven und subtile Kritik.

Gerade deswegen verweisen ihre Arbeiten oftmals auch auf ihre ganz persönliche Geschichte: Da ist etwa diese Asphaltstraße, die zu ihrem Wohnhaus in Österreich führt. "Sie wurde immer wieder geflickt und ist dementsprechend strukturiert. Ich habe sie geliebt, eben weil sie so geflickt und fleckig und in ihrer Unvollkommenheit wahnsinnig schön war - inzwischen wurde sie erneuert. Es ist ein bisschen, als würde man eine sentimentales Photo machen, von der Straße ins Haus, von außen nach innen."
Oder etwa ein Bild aus einer Serie für die Vogue Japan, dass sie vor Jahren für ihren Freund Helmut Lang gemacht hat. Es zeigt "New York und Wien gleichzeitig, diese Auslagen, in denen die Wäsche, diese wirklich intimen Kleidungsstücke, so dermaßen trocken präsentiert werden - das kennt man nur in Wien", erzählt sie amüsiert.

Es gab eine Zeit, als es für sie schwierig wurde, weiterhin in Österreich zu arbeiten und sie sich entschloss, nach New York zu gehen. "Ich bin damals aus Wien weggegangen, weil ich in den 90ern innerhalb kürzester Zeit meine beiden Männer verloren habe. Das ist dann auch schwierig für die Leute in der Branche. Man denkt sich 'Was wird sie jetzt noch machen wollen, sicher kein kicherndes Mädchen, das Bananen isst", erzählt sie. Und weiter: "Helmut war damals schon in New York und auch Walter Schupfer, ein guter Freund, der in Paris als Fotomodell Karriere gemacht hatte und bereits als Agent für Fotografen arbeitete. Da hatte ich zwei gute Freunde, einerseits Zufall und andererseits Schicksal", sinniert sie.

Ihre Ausstellung wurde am 8.März, dem Internationalen Frauentag eröffnet, und Semotan bemerkt, dass ihr das anfangs nicht klar gewesen sei, ihr aber sehr entgegen komme. Das verwundert nicht, beweist sie doch in der fotografischen Darstellung ihrer Models immer wieder aufs Neue eine Haltung, die subtil unterläuft, was in den meisten Hochglanzmagazinen scheinbar unendlich reproduziert wird: Stereotypische Posen, die sich wie eine stille Übereinkunft durch die meisten kommerziellen Modestrecken ziehen.

"Ich habe diese Idee der Darstellung wahnsinnig gehasst, weil ich das für mich selber nie wollte. Ich wollte schon um meiner selbst willen akzeptiert sein und nicht, weil ich hübsch oder eine Frau bin." Deswegen sei ihr immer wichtig gewesen, und zwar von Anfang an, dass die Frauen in ihren Bildern ein Eigenleben haben: "Ich habe ja auch eine nackte Frau mit Accessoires fotografiert. Aber diese Frau fordert in ihrer Nacktheit keine sexuelle Betrachtung. Ich fand ihren Körper sehr schön und schlank, und wir waren uns vertraut genug, dass es funktioniert hat."

Dann erklärt sie - und es macht sich ein Hauch von Freude bemerkbar - wie sie sich mit dieser Haltung in einer oftmals kompromisslosen Branche trotzdem treu geblieben ist: "Ich hab unheimlich viele Dinge machen können, weil die Leute nicht alles gleich durchschaut haben. Manche haben es irgendwann bemerkt, andere wollten ja auch gerne, dass nichts von dem kommt, was sie eigentlich möchten. Und in einigen Fällen habe ich für gewisse Leute eben nicht mehr gearbeitet."

Nach dem Rundgang durch die barocken Klosterräumlichkeiten fällt auf, dass in dieser Ausstellung kein einziges Bild mit einem männlichen Model gezeigt wird. Aber auch mit Männern habe sie viel und auch sehr gerne zusammengearbeitet, macht sie klar: "Vermutlich sollte ich bei der nächsten Gelegenheit eine Ausstellung nur mit Männern planen."


Text: Carmen Rüter

(Archiv 2012)

SEMOTAN

Elfie Semotan 9. März - 30. April 2012
Archiv: Ausstellungszentrum Heiligenkreuzer Hof, 1010 Wien

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Harpune Verlag

Publikation erschienen anlässlich der Ausstellung ELFIE SEMOTAN im HEILIGENKREUZER HOF vom 9.3.–30.4.2012 

Harpune Verlag

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