Werbepausen seinerzeit
Kinomodenschauen in Wiener Kinos
Die Viennale, das größte internationale Filmfestival Österreichs, mit über 100 in- und ausländischen Filmproduktionen im Programm, findet jährlich im Herbst in Wien statt. AUSTRIANFASHION.NET nahm dieses Ereignis 2011 zum Anlass und warf einen Blick in die Vergangenheit der Wiener Premierenkinos, als jeder Filmvorführung noch eine Modenschau vorausging.
Werbemaßnahmen sehen heute anders aus: Mittlerweile legen Unternehmen Facebook-Pages und Blogs an, vor 50 Jahren wurden von Wiener Modeunternehmen Kinomodenschauen veranstaltet - ein Blick zurück auf ein Nachkriegserfolgsmodell.
“Ich war im Gartenbaukino vom ersten Tag an mit dabei und blieb dann 13 Jahre“, erzählt Robert Becherer und blättert in seinem dicken Fotoalbum. Seit Eröffnung des Neuen Gartenbaukinos am Wiener Ring moderierte der 81-jährige Wiener die Modenschauen vor den Kinovorstellungen. Und das zweimal täglich, wie er betont. Wir sitzen in Margareten im Café Siebenbrunnen, das auch schon bessere Tage gesehen hat, doch Becherer wohnt um die Ecke und hat viel zu erzählen. Über ein bewegtes Leben, aber eben auch die Kinomodenschauen. Die muten heute etwas kurios an, waren jedoch über Jahrzehnte hinweg fester Bestandteil des Kinobesuchs: Die Kinos versprachen angesichts der Filmpremieren den Duft der großen weiten Welt - was lag da also näher, als modischen Glamour in die Kinosäle einziehen zu lassen?
So durften statt des Werbevorspannes in den Premierenkinos der KIBA, dem Forum-, dem Kolosseum -, dem Flotten - und dem Gartenbaukino vor Filmbeginn die ortsansässigen Unternehmen ran. Ende 1953 begann man im Flottenkino mit den kurzweiligen Modepräsentationen, die in einer knapp zehnminütigen Show alles vom Cocktailkleid bis zum Bikini vorführten. Es ging um Unterhaltung und natürlich auch um Kundenakquise, Kinos wie Unternehmen profitierten von den in den Anfängen überaus beliebten Modevorführungen. Lokale Unternehmensgrößen wie das Herrenmodegeschäft Teller von der Landstrasse, Pelze Foggensteiner, die Modegeschäfte Fürnkranz, Texhages oder Tlapa statteten die zumeist weiblichen Models und natürlich die durchgehend männlichen Conferenciers aus.
Als Eyecatcher wurden Sonderanfertigungen vorgeführt, die es im Geschäft oft gar nicht zu kaufen gab. Der Hinweis, dass es beim Besuch eines Films in den Geschäften Rabatt gäbe, durfte auf den Kinokarten dennoch nicht fehlen. Dafür ließen sich die Unternehmen dann auch was einfallen: Teller von der Landstraße, damals bekanntes Herrenmodegeschäft, fertigte extra für die Kinomodenschauen karierte und gemusterte Herrengilets oder auch mal einen so genannten Koalitionsanzug.
Mastermind des Ganzen war Bobby Schmidt, der für seine Werbefirma Unternehmen für die Modenschauen akquirierte. Das Kino hierbei nur ein Schauplatz unter vielen. Denn neben den Lichtspielhäusern hatte sich Schmidt andere außergewöhnliche Locations für seine Shows ausgedacht: Mal ging er auf Modeschau-Tournee und zeigte in österreichischen Wintersportorten die neueste Skimode, ein andermal wurde im Amalien Kino im 10. Wiener Gemeindebezirk - heute unvorstellbar - anlässlich so genannter Hausfrauenabende Damenmode vorgeführt.
In Wien war aber sicherlich die Kinomodenschau, die noch bis in die 1980er Jahre bestand, am populärsten. Prominentes Herzstück der Präsentationen: der Conferencier, der über Jahre hinweg in einem Kino die gezeigten Modelle kommentierte. Daniela Jonas, Enkelin von Bobby Schmidt, erinnert sich: „Mein Opa war der Mann im Hintergrund, der für seine Werbefirma die Modenschauen koordiniert und die Conferenciers damals eingestellt hat.“ Doch nicht nur das. En Detail wurde eine jede Modeshow geplant, Schmidt bereitete dem jeweiligen Conferencier für die vorgeführten Modelle Texte, die abgelesen und frei improvisiert werden konnten, vor. Da wurde dann hingewiesen auf Besonderheiten hinsichtlich des Schnittes oder Stoffes, schließlich ging es ja um den Verkauf.
Und die Models? Was heute einem Millionenpublikum als das Laufstegtraining einer Heidi Klum ein Begriff ist, war Bobby Schmidt bereits in den 1960ern ein Anliegen. Anton Grobauer, Schmidts Sohn, der bereits als 14-jähriger mit auf Modenschau-Tournee war, erzählt: "Mein Vater war noch von der 'alten Schule'. Er hat die Models quasi ausgebildet, wenn sie beispielsweise nicht haben gehen können. Es ging ihm darum, ein möglichst harmonisch choreographiertes Programm aufzustellen." Und Robert Becherer, der neben Dr. Schiffer und Willy Kralik prominente Gartenbau-Conférencier, erinnert sich: "Weibliche Models gab es viele, das war ein Kommen und ein Gehen." Die meist weiblichen Mannequins kümmerten sich im um ihr Styling größtenteils selbst. Mit Ausnahme der Haare: Für die Modefrisuren der Mannequins war zeitweise "Theo, Haus der Frisur" verantwortlich. Alles in allem also eine überschaubare wie familiäre Szenerie.
Während der Hochzeit der Wiener Kinos sorgte der Conférencier Becherer im Gartenbau am Wochenende zusätzlich zur Nachmittagsvorstellung für Unterhaltung. Kein Problem für Becherer, der "als Artistenkind im Prater groß geworden" und bereits 1934 mit vier auf der Bühne gestanden ist. Doch mit der Veränderung der Kinokultur - ein Kinobesuch war schon lang nicht mehr mit einem Theaterbesuch vergleichbar – ließ der Erfolg der Modenschauen in den 1970er Jahren nach. Für Fritz Holy, der zwischen 1978 und 1986 im Gartenbau conferencierte, war dies nur mehr "ein Nebenjob": "Unter der Woche habe ich einmal, am Wochenende zweimal pro Tag die Schauen moderiert. Und danach bin ich dann meist wieder ins Theater." Drei, vier weibliche Models präsentierten damals noch Damenmode, Männermode wie Anzüge und Mäntel durfte Holy selbst vorführen.
Mit der Veränderung der Kaufhauslandschaft in Wien verloren einst große Unternehmen wie Teller von der Landstraße an Bedeutung, die Kinomodenschau wurde somit auch ein Auslaufmodell – wenn auch ein überaus charmantes.
Text: Anne Feldkamp
(Archiv 2011)