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Kollektion Spring Summer 2019 © Imen Bousnina

Modest Modedesign in Wien

Ideal einer interkulturellen Gesellschaft. Es sind muslimische Länder, die Modest Fashion auf die globale Agenda setzen wollen - allen voran Dubai, Türkei und Indonesien. Migrationsbedingt ist die Bewegung jedoch weltweit relevant. Die Designszene ist noch jung – und klein. Aber auch in Österreich gibt es junge muslimische Designerinnen. Nachfolgend zwei Positionen.

Modest Fashion bezeichnet den Trend, körperverhüllende Kleidung zu tragen. Die exakte Definition des Begriffs variiert innerhalb von Kulturen und Ländern. Ein zentrales Interesse an der Verbreitung des Stils haben die muslimischen Länder. Aber selbst  die muslimische Kleidungsordnung ist so verschieden, wie die muslimischen Glaubensrichtungen, die regionalen Kulturen und Modeeinflüsse. Allgemein besteht diese aber zumindest aus Kopfbedeckung und langen Kleidern.

Die Stilbewegung entstand in den frühen 1990-er Jahren und wird von globalen Netzwerken angetrieben. Das Islamic Fashion & Design Council (IFDC), welches das Modesegment promotet und die Modest Fashion Week, die den Designern eine globale Öffentlichkeit bietet.  Beide Organisationen betonen die Interkulturalität der Bewegung und forcieren einen sittsamen Stil, der verschiedene Religionen und Kulturen adressiert.

Halal Couture und Ramadan Collections

Globale Wahrnehmung erreichte die Modewerdung des muslimischen Kleidungsstils erst durch die westliche Modeindustrie. Ab 2013 begannen Designer wie Hilfiger, Donna Karan und Dolce & Gabbana mit dem Launch von Halal Couture oder Ramadan Collections. Mittlerweile setzen selbst Fast Fashion-Ketten wie H&M und Mango auf das vielversprechende Segment.

Die 2016 gegründete Modest Fashion Week (1)  (MFW) folgt ihrem eigenen Kalender und wurde bisher in wechselnden Metropolen abgehalten - in Istanbul, London, Dubai und Jakarta. Im September 2018 wurde erstmals eine Modest Soiree zeitgleich und in Verbindung mit der Milan Fashion Week veranstaltet. Organisator war das Islamic Fashion & Design Council (IFDC), das auch in Italien eine Niederlassung hat. Vier muslimische Designer zeigten ihre Kollektionen.

Selbst der Kunstbetrieb wurde bereits auf das religiös verankerte Modephänomen aufmerksam. Noch bis 6. Januar 2019 ist im de Young Museum in San Francisco die Ausstellung Contemporary Muslim Fashions  zu sehen. Die Ausstellung deckt verschiedene religiöse Interpretationen und Kulturen ab – inklusive High End-Fashion, Streetwear und Sportswear.

Die Aufregung hat auch einen monetären Grund. Der muslimische Markt ist riesig. Laut Thomson Reuters gaben die Muslime 2016 254 Mrd. Dollar für Schuhe und Kleidung aus – bis 2022 sollen es 373 Mrd. sein. Dieses Marktvolumen ist vergleichbar mit jenem in den USA, das 2018 an die 353 Mrd. Dollar erreichen soll (Quelle: Euromonitor).

Den Weg für die nächste Generation ebnen

Im deutschsprachigen Raum ist die Designszene sehr klein und das religiös verankerte Modephänomen hat noch Erklärungsbedarf. Die in Wien lebende muslimische Modedesignerin Imen Bousnina absolvierte die HLA für Mode an der Herbststraße. Jetzt steht sie kurz vor dem Studienabschluss im Bachelor-Studium an der Deutsche Pop Akademie. Als sie dort ihr Modest-Konzept erklärte, sagte der Marketingdozent, dass das nicht funktionieren könne. Modest Fashion sei wie Modemachen für das Museum. Imen konnte ihn mit ihrer Kollektion überzeugen, er hat seine Meinung geändert.“

Zum Zeitpunkt des Interviews kam die 24-Jährige gerade von der Modest Fashion Week in Jakarta zurück, wo sie ihre erste Show hatte. Die Teilnahme ist teuer und Imen ist froh, einen Sponsor gefunden zu haben.


„Man kann Trends auch modest interpretieren.“ Imen Bousnina

Imen hat den Hijab und die islamische Kleiderordnung mit Dreizehn freiwillig angenommen. Schon damals suchte sie nach modischen Looks. Sie erinnert sich an ein Spaghettiträger-Kleid, das sie mit einem langärmeligen Shirt darunter trug. Eine Idee, die sie in ihrer aktuellen Kollektion wieder aufgriff. 

Modest Modedesign im weiteren Sinn

Ihre erste Kollektion war mit steifen Stoffen und kastigen Formen noch islamkonform. Ihre zweite Kollektion, die sie zur MFW in Jakarta zeigte, war bereits klar interkulturell inspiriert. Stilmittel waren fließende Stoffe, gegürtete Taille und Baseball-Caps. Imen: „Man kann Trends auch modest interpretieren.“

Neben ihrer Ausbildung an der Deutsche Pop Akademie arbeitet Imen in Teilzeit bei H&M als Sales Advisor. Sie habe sich bei vielen Modehändlern beworben. Aber außer H&M habe sie keiner akzeptiert - trotz Modediplom. Sie  führt das auf das Kopftuch zurück. Schon allein deshalb will sie sich ihren Arbeitsplatz selbst schaffen.   

Im politischen Diskurs um Kopftuch und Burkini hat Modest Fashion auch gegen Widerstände zu kämpfen. Naomi Afia Brenya Günes-Schneider antwortet mit einem wissenschaftsbasierten Designkonzept und einem Plädoyer für Political Correctness.

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Diplomkollektion © Naomi Afia Brenya Günes-Schneider

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Fashion made Halal

Naomi Afia Brenya Günes-Schneider (25) studiert in Wien Publizistik und islamische Theologie und wurde erstmals im Studium mit Mode konfrontiert - als sie vom Fabrikeinsturz in Rana Plaza (Anm. d. Red.: 2013) und dem Verhalten von Primark hörte. Damals schwor sie dem Fast Fashion-Konsum ab und fing an selber zu nähen.

„Im islamischen Glauben gibt es das Konzept von Halal in Bezug auf Nahrung, das aber auch ganz allgemein auf Konsum angewendet wird. Bei Kleidung deute ich es als ein Mitdenken von Produktionsbedingungen“, erklärt Naomi.

Naomi beschloss schon vor dem Studium als Muslima zu leben. Seit ein paar Jahren trägt sie Hijab und hält sich an die islamische Kleiderordnung.

In den vergangenen zwei Jahren absolvierte sie – parallel zum Studium - das Kolleg für Mode/Design/Textil an der Herbststraße. Ihre Abschlusskollektion im Juni 2018 trug den Titel ‚Pieces of Identity’. Es ging um Selbstwahrnehmung und Empowerment.

Modest, nachhaltig und politisch korrekt

Nach ihrem Abschluss erhielt sie ein Stipendium von der Stadt Wien, mit dem sie ein Projekt realisieren kann. - eine Kollektion, in Abstimmung auf die Bedürfnisse der Teilnehmer. Das Konzept will sie in einem Workshop fixieren.

In ihrem Projekt wird es um Non-Binary Menschen gehen, die sich nicht wahrgenommen fühlen. Unter Non-Binary Menschen versteht sie Menschen, die sich nicht in einer klassischen Geschlechtsidentität sehen. Ursprünglich wollte sie nur muslimische Personen ansprechen. Aber es seien alle betroffen. Weshalb sie mit mehreren Personengruppen arbeiten will.

„Es wird immer auseinander dividiert, aber die Gemeinsamkeiten sieht man sich nicht an.“ Naomi Afia Brenya Günes-Schneider

Themen, die sie bewegen, sind die politischen Entscheidungen im Kopftuchdiskurs, transsexuelle Frauen, die oft Grenzüberschreitungen erfahren - und ihre schwarzen Freunde, die ihre Haare im Job anders tragen müssen.

Für eine pluralistische Gesellschaft

Auch junge muslimische Frauen abseits der Mode denken ähnlich wie Naomi. Die junge Wissenschafterin Zeynep Arslan beschäftigt sich mit Religion in einem interkulturellen Sinn. Als Mitarbeiterin der MA17 (Integration und Diversität) initiierte sie schon 2011 ein religionsübergreifendes Forum in Wien. Damals sagte sie: „Das multireligiöse Bezirksforum versteht sich als Plattform für den friedlichen Gedankenaustausch und soll helfen, das Gemeinsame in der religiösen Weltanschauung zu finden, anstatt wie sonst oft das Trennende hervorzukehren“. (2)

Die in Wien und Istanbul lebende Künstlerin Nilbar Güreş beschäftigt sich u.a. mit der Rezeption der Kleidervorschriften religiös geprägter Kulturen in der westlichen Gesellschaft. Dabei kann sie auch auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen. In einem Interview mit dem Standard (3) erinnert sie sich an die Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie in Wien im Jahr 2000, als sie gefragt wurde, wo denn ihr Kopftuch sei. In ebendiesem Interview sagt sie, sie sehe sich nicht als Künstlerin mit der Kompetenz für Fragen zu Kopftuch und Islam. Zitat: "Frauen haben überall ziemlich die gleichen Probleme." Und: "Religionen engen überall auf der Welt die Existenz von Lebewesen ein."

Quellen:

(1 )Maisey, Sarah (2017): Franka Soeria and Özlem Sahin, duo behind Modest Fashion Week on their vision, emerging designers and a global shift. Abgerufen am 18. Juli 2018.
(2) Religion: miteinander reden (2011) auf: meinbezirk.at. Abgerufen am 12.06.2018
(3) Feßler, Anne Katrin (2016): Nilbar Gueres: Aus der Reihe getanzt. Auf: derstandard.at Abgerufen am 12.06. 2018


Text: Hildegard Suntinger

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